Text 24 – 2020

[ Was ist ein Schneemann? ]

„Wer wenn nicht wir, Wann wenn nicht jetzt!“
So klingen die Rufe der Kinder,
als sie marschieren, nebeneinander, durch die Straßen ihrer Städte.
Das Geräusch von Zehntausenden.
Sie marschieren wie Armeen,
Ihre Flaggen schwingen in der schwachen Brise.
Ihre Augen leuchten in Einheit.
Ein Bild von Solidarität.
Ein Bild von Macht.
Ein Bild von Hoffnung. 

Aber die Macht ist nur eine Täuschung.
Die Armee hat keine Waffen und die Brise wird stärker.
Ihre Flaggen werden durch den Regen ertrunken.
Ihre Augen werden von der Sonne geblendet.
Das Geräusch dauert nur ein paar Stunden.
Dann ist es verschwunden.
Ihr Weg wird von den Mächtigen kontrolliert.
Sie beherrschen ihre Straßen nicht.
„Ihr zerstört was uns allen gehört.“

Die Hoffnung ist gefährlich, verführerisch, trügerisch.
Täglich ersticken wir unter
Plastik, Kohle, Feuer.
Wir schmelzen immer schneller.
„Der Klimawandel wartet nicht aufs Abi.“
Wir sind nur die Kinder der Welt.
Was können wir machen
gegen solch einen Gegner? 

Denn der Gegner ist nicht
Plastik, Kohle, Feuer.
Der Gegner ist keiner und jeder.
Der Gegner steht nicht vorn.
Oder unter oder hinter oder oben.
Was können wir nur ausrichten
gegen solch einen Gegner?

„Wir sind doch noch jung.
Wir brauchen die Welt.“
Sie sagen, sie verstehen.
Sie sagen, sie machen alles.
„Wir geben unser Bestes.“
Als sie in das Auto steigen

Es ist nur eine Flasche.
Es ist nur ein Licht.
Es ist nur ein Baum.
Es ist nur ein Fluss.
Es ist ja nur die Welt.

„Wenn wir gehen, nehmen wir euch mit.“
Die Drohungen sind auch leer.
Stark ist doch ihre Wahrheit:
Es gibt keinen Planeten B. 

Wir sind die machtlose Generation.
Unsere Rufe bleiben ungehört.
Eine Stimme? So etwas gibt‘s nicht. 

Aber die Zeit ist knapp.
Wir können es nicht abwenden. 

Es ist nur ein Grad.
Mama, 

Was ist ein Schneemann?

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